EDIP: Wie die EU Europa zur Kriegswirtschaft umbaut

EDIP: Wie die EU Europa zur Kriegswirtschaft umbaut * Während die zivile Industrie kollabiert und Sozialhaushalte gekürzt werden, vollzieht Europa eine massive militärische Transformation. Das 150-Milliarden-Euro-Programm EDIP der EU dient nicht nur der Verteidigung – es ist der Bauplan zur Umstellung von Europas Wirtschaft auf permanente Kriegsproduktion. Diese Untersuchung zeigt, wie Think-Tank-Strategien, Konzernprofite und geopolitisches Kalkül den Kontinent in eine militarisierte Wirtschaftszone umformen, die Russland binden soll, während die USA sich auf China konzentrieren.

Teil 3: Eine umfassende Analyse des European Defence Industry Programme und der European Defence Industrial Strategy

von Michael Hollister

Erstveröffentlicht bei OVERTON Magazin am 06. November 2025

Teil 1 – finden Sie hier:
Aufrüstung im Niedergang: Warum Deutschland und die EU in den Krieg investieren

Teil 2 finden Sie hier:
Spannungsfall 2026: Wie die deutsche Industrie auf Kriegswirtschaft vorbereitet wird

Teil 4 – finden Sie hier:
https://www.michael-hollister.com/index.php/de/2025/11/30/der-uebersehene-buendnisfall

2.343 Wörter * 12 Minuten Lesezeit

Europa befindet sich in einer tiefgreifenden Zäsur: Während zivile Industrien abwandern, soziale und infrastrukturelle Haushalte gekürzt werden, läuft parallel eine massive militärische Aufrüstung. Doch diese Aufrüstung erscheint nicht lediglich als Antwort auf geostrategische Bedrohungen – sie ist Teil einer viel weitergehenden strategischen Logik: Europas Wirtschaft wird von Friedens- auf Kriegswirtschaft umgeschaltet. In diesem Prozess spielen zwei EU-Instrumente eine Schlüsselrolle: die European Defence Industrial Strategy (EDIS) sowie das European Defence Industry Programme (EDIP).

Die Ausgangslage: Wirtschaft ohne Wachstum, Industrie in der Krise

Das westliche Wirtschaftsmodell beruht auf wachsendem Output, steigendem Konsum und expandierender Industrie. Doch genau dieses Modell gerät zunehmend unter Druck. Viele Industriezweige wandern ab, produktions- und energieintensive Branchen verlassen Deutschland und Europa. BASF verlagert Standorte nach China, Opel reduziert Kapazitäten, ThyssenKrupp kämpft ums Überleben. Gleichzeitig werden Sozial-, Infrastruktur- und Gesundheitsausgaben gekürzt – die öffentlichen Mittel konzentrieren sich auf neue Prioritäten.

In dieser Situation wird die militärische Industrie zur Alternative: Rüstung, Verteidigung, militärische Infrastruktur bieten große, staatlich gestützte Nachfrage mit langfristiger Perspektive. Wenn zivile Märkte stagnieren und klassische Wachstumsmotoren versagen, bleibt dem System eine historisch erprobte Lösung: die Umstellung auf Kriegswirtschaft.

EDIS & EDIP: Industriepolitik mit militärischem Fokus

Die EU-Kommission präsentierte im März 2024 mit der „European Defence Industrial Strategy“ (EDIS) eine Strategie, die explizit lautet: Europa muss seine Verteidigungs- und Rüstungsindustrie massiv stärken. Ziel ist eine europäische Verteidigungs-Industriebasis (European Defence Technological and Industrial Base, EDTIB) mit hoher Eigenversorgung, kürzeren Lieferketten, mehr Kooperation und massiven Investitionen.

Die Strategie spricht offen vom „Return of high-intensity warfare in Europe“ – der Rückkehr intensiver Kriegsführung nach Europa. Diese Formulierung ist bemerkenswert: Nicht „Vorbereitung auf mögliche Bedrohungen“, sondern „Rückkehr“ – als sei intensiver Krieg in Europa bereits beschlossene Sache.

Im Kontext dieser Strategie wurde das European Defence Industry Programme (EDIP) aufgelegt – mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Euro für die Jahre 2025-2027. EDIP soll ein juristisches und finanztechnisches Framework schaffen, damit nationale Rüstungsindustrien gemeinsam arbeiten, Kapazitäten aufbauen, Lieferketten sichern und Produktionsstandorte koordinieren. Kurz: Es bildet das institutionelle Fundament für eine europäische Kriegsindustrie.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die treibende Kraft

Eine zentrale Figur bei der Durchsetzung von EDIP ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Europäischen Parlaments. Ihre Rolle bei der Finalisierung und Scharfschaltung des Programms Mitte Januar 2025 war entscheidend.

Strack-Zimmermann, im Volksmund nicht ohne Grund „Strack-Rheinmetall“ genannt, steht wie kaum eine andere Politikerin für die enge Verflechtung zwischen Politik und Rüstungsindustrie. Ihre öffentlichen Auftritte sind geprägt von martialischer Rhetorik und unbedingter Befürwortung militärischer Aufrüstung. Kritiker werfen ihr vor, nicht die Interessen der Bürger, sondern die der Rüstungskonzerne zu vertreten.

Dass ausgerechnet sie federführend bei EDIP war, ist kein Zufall. Es zeigt, wessen Interessen dieses Programm dient: nicht dem Frieden, nicht der Verteidigung im klassischen Sinne, sondern der systematischen Militarisierung der europäischen Wirtschaft.

„Unabhängigkeit von Drittstaaten“ – doch worauf zielt das wirklich?

Ein zentrales Dogma von EDIS und EDIP lautet: Europa müsse seine Abhängigkeit von Drittstaaten – insbesondere den USA, aber auch Großbritannien, der Türkei und Südkorea – deutlich reduzieren. Die Denkfabrik Bruegel dokumentierte in einem Policy Brief 2024, wie stark Europa noch von US-amerikanischen Foreign Military Sales abhängig ist.

In der Praxis heißt das: Verteidigungsaufträge sollen künftig in Europa vergeben werden, Zulieferketten in Europa aufgebaut werden, Hersteller außerhalb Europas sollen weniger zum Zug kommen. EDIS formuliert explizit: „increased, more collaborative and European investment from Member States“ für die europäische Verteidigungsindustrie.

Diese Formulierung klingt nach Autonomie und Sicherheit – doch sie kann auch anders gelesen werden: Als ökonomischer Hebel zur Umschaltung auf Kriegsindustrie. Wenn Europa seine Rüstungsproduktion konzentriert und Drittstaaten systematisch ausschließt, erhält die europäische Kriegswirtschaft einen privilegierten, geschützten Raum. Die Investitionen fließen nicht mehr in zivile Sektoren oder in globale Lieferketten, sondern zunehmend ins militärisch-industrielle Binnenfeld.

Das ist keine Randerscheinung, sondern strategisches Kalkül: Ein geschlossener europäischer Rüstungsmarkt garantiert dauerhafte Nachfrage, planbare Umsätze und staatlich abgesicherte Profite – unabhängig von Marktschwankungen oder Wettbewerb.

Die 150-Milliarden-Euro-Frage: Wie wird die Kriegswirtschaft finanziert?

Die Financial Times berichtete im Dezember 2024, dass die EU plant, das gesamte 150-Milliarden-Euro-Kreditprogramm für Rüstungskäufe zu aktivieren. Diese Summe ist gigantisch – zum Vergleich: Das entspricht etwa dem deutschen Verteidigungshaushalt bis 2029.

Doch wie funktioniert dieses Kreditprogramm?

Mechanismus:

  • Die Europäische Investitionsbank (EIB) und nationale Entwicklungsbanken stellen Kredite bereit
  • Diese Kredite gehen an Mitgliedstaaten für Rüstungskäufe
  • Die Rüstungskäufe erfolgen bei europäischen Herstellern
  • Rückzahlung erfolgt über nationale Haushalte – also letztlich über Steuerzahler

Profiteure:

  • Rüstungskonzerne: Rheinmetall, KNDS, Leonardo, Thales, Airbus Defence, BAE Systems
  • Finanzinstitute: Zinsen aus Kreditvergabe
  • Start-ups im Defence-Tech-Bereich: Helsing, Quantum Systems, etc.

Verlierer:

  • Steuerzahler: Tragen die Kosten über Generationen
  • Zivile Wirtschaft: Kapital wird abgezogen
  • Soziale Infrastruktur: Konkurrenz um öffentliche Mittel

White & Case analysierte in einem Insight Alert 2024, dass diese Finanzierungsarchitektur bewusst so konstruiert wurde, dass sie nicht unter die normalen EU-Haushaltsregeln fällt. Das ermöglicht massive Verschuldung ohne demokratische Kontrolle.

Transformation der Wirtschaft: Von zivil zu militärisch – konkrete Beispiele

Die Umstellung läuft bereits. Le Monde dokumentierte im März 2025, dass in Europa zivile Produktionsstätten systematisch für militärische Zwecke umgerüstet werden:

Automobilindustrie:

  • Volkswagen-Werke werden auf Produktionskompatibilität mit Militärfahrzeugen geprüft
  • Renault-Standorte in Frankreich produzieren zunehmend gepanzerte Fahrzeuge
  • Fiat-Chrysler (Stellantis) bereitet Werke für Truppentransporter vor

Zulieferindustrie:

  • Bosch entwickelt Sensorik für autonome Waffensysteme
  • Siemens liefert Steuerungstechnik für Rüstungsprojekte
  • ZF Friedrichshafen produziert Getriebe für Militärfahrzeuge

Chemie- und Materialindustrie:

  • BASF stellt Spezialchemikalien für Munition und Treibstoffe bereit
  • Covestro entwickelt Panzermaterialien
  • Evonik liefert Hochleistungskunststoffe für militärische Anwendungen

Logistik und Transport:

  • Deutsche Bahn bereitet Militärtransportkorridore vor
  • Häfen werden für schnelle Militärverlegungen ausgebaut
  • Flughäfen erhalten militärische Doppelfunktion

Die Verteidigungsausgaben in Europa stiegen zwischen 2021 und 2024 um über 30 Prozent. Diese Zahlen sind kein Zufall – sie sind Ergebnis systematischer Planung.

Die Logik dahinter: Wenn die zivile Wirtschaft stagniert, kann der Staat durch militärische Großprogramme wirtschaftliches Wachstum erzeugen. Rüstung wird zum Motor – Panzer, Flugzeuge, Munition, Nachschub, Ersatzteile. Und wenn Europa in die „Unabhängigkeit von Drittstaaten“ geht, bedeutet das: Europa kauft bei Europa. Die Binnenwirtschaft wird zur Kriegswirtschaft.

Gewinner und Verlierer: Wer profitiert von EDIP?

Hauptprofiteure nach Ländern:

Deutschland:

  • Rheinmetall (Umsatzsteigerung 73% im Q1 2025)
  • KNDS (Fusion KMW/Nexter)
  • Hensoldt (Sensorik)
  • Diehl Defence
  • ThyssenKrupp Marine Systems

Frankreich:

  • Thales (Elektronik, Drohnen)
  • Dassault Aviation (Kampfjets)
  • Naval Group (U-Boote)
  • Nexter (Teil von KNDS)
  • MBDA (Raketen)

Italien:

  • Leonardo (Helikopter, Drohnen, Elektronik)
  • Fincantieri (Marineschiffbau)

Polen:

  • Massiver Ausbau eigener Rüstungsindustrie
  • Profiteur durch geografische Lage (Transitland)

Schweden:

  • Saab (Kampfjets, U-Boote)
  • Profiteur durch NATO-Beitritt

Finanzsektor:

  • BlackRock (größter Anteilseigner bei vielen Rüstungskonzernen)
  • Vanguard
  • State Street
  • Deutsche Bank
  • BNP Paribas

Verlierer:

Zivile Industrie:

  • Traditionelle Maschinenbauunternehmen ohne Rüstungsbezug
  • Konsumgüterindustrie
  • Mittelstand ohne Dual-Use-Potential

Soziale Infrastruktur:

  • Gesundheitswesen (Budgetkürzungen)
  • Bildung (Mittelabzug)
  • Sozialwesen (Leistungskürzungen)
  • Öffentliche Infrastruktur (Investitionsstau)

Bürger:

  • Steuerzahler tragen die Kosten
  • Junge Generation trägt die Schulden
  • Gesellschaft insgesamt trägt das Kriegsrisiko

Geopolitischer Kontext: Europa bindet Russland, USA binden China

EDIP und EDIS sind nicht isoliert zu betrachten. Sie fügen sich in einen größeren geopolitischen Rahmen:

Die USA sehen sich laut RAND Corporation seit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas in einer geopolitischen Zwickmühle: Ohne Maßnahmen droht der Verlust ihrer globalen Hegemonie. Ein direkter Konflikt mit China erscheint aus US-Perspektive mittelfristig unvermeidlich. Doch ein starker Bündnispartner wie Russland könnte diesen Plan gefährden.

Die strategische Antwort: Europa bindet Russland militärisch in Osteuropa, während die USA sich auf den Pazifik konzentrieren. EDIP liefert dafür das industrielle Fundament. Europa wird nicht nur militärisch aufgerüstet, sondern so organisiert, dass es einen langfristigen, ressourcenintensiven Konflikt mit Russland führen kann – ohne permanente US-Unterstützung.

Die RAND-Studie „Russia, China, and the European Deterrence Gap“ (2023) macht deutlich: Eine engere militärische Partnerschaft zwischen Russland und China wird von den USA als strategische Bedrohung eingestuft. EDIP hilft, diese Partnerschaft zu verhindern – indem Russland in Europa gebunden wird.

In diesem Kontext erscheint auch die Rhetorik von der „Unabhängigkeit von den USA“ in neuem Licht: Europa soll nicht wirklich unabhängig werden, sondern eigenständig kriegsfähig – um die USA im großen Spiel gegen China zu entlasten.

Der Weg zum Perpetuum Mobile der Kriegswirtschaft

Das eigentliche Problem liegt tiefer: Kriegswirtschaft funktioniert nur dann nachhaltig, wenn ihre Produkte Abnehmer finden. Munition veraltet, Systeme müssen getestet, Ersatzteile nachproduziert werden. Das System ist auf kontinuierliche Nachfrage angewiesen – und diese entsteht nicht primär auf dem Truppenübungsplatz.

Wer dauerhaft Waffen, Munition und Drohnen produziert, braucht irgendwann Einsatzgebiete. Wer Panzer in Serie fertigt, muss mit Verschleiß rechnen. Was früher gelegentlich militärisch „gebraucht“ wurde, droht zum regelmäßigen Wirtschaftsimpulsgeber zu werden – wie in einem perversen Konjunkturzyklus:

Zerstören → Nachbestellen → Neuproduzieren → Zerstören

Sobald Krieg zur systemischen Stabilisierungsstrategie wird, ist der Ausnahmefall aufgehoben. Es gibt kein „Zurück zur Normalität“ – weil Normalität dann Rezession bedeutet.

Die USA haben dieses Modell seit dem Zweiten Weltkrieg perfektioniert: permanente Rüstungsproduktion, permanente Kriege, permanentes Wachstum im militärisch-industriellen Komplex. Europa übernimmt nun dieses Modell – mit EDIP als institutionellem Rahmen.

Widerstand und kritische Stimmen – wo sind sie?

Bemerkenswert ist, wie wenig Widerstand EDIP und EDIS in der EU-Politik erfahren haben. Die Abstimmung im Europäischen Parlament verlief weitgehend reibungslos. Kritische Stimmen kamen hauptsächlich von:

Linke Parteien:

  • Die Linke (Deutschland)
  • La France Insoumise (Frankreich)
  • Podemos (Spanien)
  • Argumentieren: Militarisierung verschärft Konflikte statt sie zu lösen

Grüne (teilweise):

  • Einzelne Abgeordnete warnten vor Aufrüstungsspirale
  • Mehrheit der Grünen stimmte jedoch zu
  • Begründung: „Verteidigung der Demokratie“

Zivilgesellschaft:

  • Friedensbewegungen in Deutschland, Frankreich, Italien
  • Wenig mediale Aufmerksamkeit
  • Geringe Mobilisierungskraft

Öffentlichkeit:

  • Mehrheitlich uninformiert über EDIP
  • Medien berichten kaum über technische Details
  • Fokus auf „Bedrohung durch Russland“ statt auf industrielle Transformation

Die Frage ist: Warum gibt es so wenig Widerstand gegen eine so fundamentale Weichenstellung?

Mögliche Antworten:

  1. Mediale Narrativkontrolle: Die Bedrohung durch Russland wird so stark betont, dass Kritik an Aufrüstung als naiv oder pro-russisch erscheint
  2. Komplexität: EDIP ist technisch, juristisch komplex – schwer zu kommunizieren
  3. Fragmentierung: Friedensbewegung ist geschwächt, zersplittert
  4. Politische Erschöpfung: Nach Corona, Inflation, Energiekrise wenig Kapazität für neuen Widerstand
  5. Systemische Einbindung: Gewerkschaften sehen Arbeitsplätze in Rüstungsindustrie als positiv

Zeitleiste: Wann wird was umgesetzt?

2024:

  • März: EDIS-Strategie vorgestellt
  • Sommer: EDIP-Programm erarbeitet
  • Dezember: Financial Times berichtet über 150-Mrd-Kreditprogramm

2025:

  • Januar: EDIP finalisiert und scharf geschaltet
  • Q1: Erste Ausschreibungen für Defence-Projekte
  • Laufend: Aufbau von EDTIB-Strukturen

2025-2027:

  • 1,5 Mrd Euro EDIP-Gelder werden ausgezahlt
  • Koordination nationaler Rüstungsprogramme
  • Aufbau gemeinsamer Produktionskapazitäten

2026:

  • Intern kommunizierter Zeitpunkt für „Spannungsfall“ in Deutschland
  • NATO-Übung Vigorous Warrior 2026
  • Geplante Produktionskapazitäten von Rheinmetall et al. greifen

2027:

  • Atlantic Council: „By 2027, NATO must strengthen the Baltic Defense Line“
  • Europa soll voll kriegsfähig sein

2028-2030:

  • Vollständige Integration europäischer Rüstungsproduktion
  • Unabhängigkeit von Drittstaaten weitgehend erreicht
  • Perpetuum Mobile Kriegswirtschaft etabliert

Kritische Fragen und Gegenargumente

Argument 1: „EDIP ist doch nur 1,5 Milliarden – das ist zu wenig für eine Kriegswirtschaft“

Gegenargument: Die 1,5 Milliarden sind nur der Anfang. Das Europäische Parlament selbst bezeichnet EDIP als „ersten Schritt“. Die eigentlichen Summen fließen über das 150-Milliarden-Kreditprogramm und nationale Haushalte. EDIP ist das Framework, nicht die Finanzierung.

Argument 2: „Europa muss sich doch verteidigen – Russland ist eine reale Bedrohung“

Gegenargument: Niemand bestreitet, dass Europa Verteidigungsfähigkeit braucht. Die Frage ist: Verteidigung oder Vorbereitung auf Angriffskrieg? EDIS spricht vom „Return of high-intensity warfare“ – nicht von Verteidigung, sondern von Krieg. Die Dimensionen gehen weit über defensive Notwendigkeiten hinaus.

Argument 3: „Unabhängigkeit von den USA ist doch gut“

Gegenargument: Echte Unabhängigkeit wäre: Diplomatie statt Aufrüstung. Was hier läuft, ist keine Unabhängigkeit, sondern Arbeitsteilung: Europa bindet Russland, USA binden China. Das ist nicht Emanzipation, sondern Rollenzuweisung.

Argument 4: „Rüstungsindustrie schafft Arbeitsplätze“

Gegenargument: Ja – aber zu welchem Preis? Jeder Euro in Rüstung ist ein Euro weniger für Bildung, Gesundheit, Infrastruktur. Und: Rüstungsarbeitsplätze sind abhängig von Konflikten. Ein perverser Anreiz.

Argument 5: „Das ist doch alles Spekulation – es gibt keinen Beweis für geplante Kriege“

Gegenargument: Es gibt keine geheimen Akten mit dem Titel „Kriegsplan Europa 2026″. Aber es gibt:

  • Interne VW-Konferenzen mit Spannungsfall-Ankündigung
  • NATO-Manöver mit klarem Zeithorizont 2026/2027
  • EDIP als institutioneller Rahmen
  • Massive Umrüstung ziviler Industrie
  • Finanzströme in dreistelliger Milliardenhöhe

Die Indizien sind erdrückend.

Schlussfolgerung: Was bedeutet das für Deutschland und Europa?

EDIP ist nicht einfach ein weiteres EU-Programm. Es ist die institutionelle Manifestation einer fundamentalen Transformation: Europa wird von einer Friedens- auf eine Kriegswirtschaft umgestellt.

Diese Transformation ist:

  • Systematisch: Nicht zufällig, sondern geplant
  • Koordiniert: EU-weit abgestimmt
  • Finanziert: Mit dreistelligen Milliardenbeträgen
  • Zeitlich getaktet: Mit klarem Zeithorizont 2026/2027
  • Industriell vorbereitet: Zivile Wirtschaft wird umgerüstet
  • Militärisch flankiert: NATO-Manöver bereiten Einsatz vor
  • Juristisch abgesichert: Spannungsfall-Regelungen stehen bereit

Die Frage ist nicht mehr: Wird es passieren? Die Frage ist: Wie stoppen wir es?

Denn eines ist klar: Wer seine Wirtschaft nur noch durch Rüstung stützen kann, muss irgendwann anfangen, die Waffen auch zu benutzen. Und wer seine Waffen benutzen muss, kann auf Frieden nicht mehr hoffen – er kann ihn sich schlicht nicht mehr leisten.

Europa steht am Abgrund. EDIP ist nicht die Lösung. Es ist der Sprung.


Umfassende Quellenübersicht

EU-Dokumente und offizielle Quellen:

[1] European Commission – European Defence Industrial Strategy (EDIS)
https://defence-industry-space.ec.europa.eu/eu-defence-industry/edis-our-common-defence-industrial-strategy_en

[2] European Parliament – European Defence Industry Programme (EDIP): Briefing, 2024
https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2024/762402/EPRS_BRI%282024%29762402_EN.pdf

[3] European Defence Fund – Official webpage European Commission
https://defence-industry-space.ec.europa.eu/eu-defence-industry/european-defence-fund-edf-official-webpage-european-commission_en

Finanzierung und Wirtschaft:

[4] Financial Times – EU to tap entire €150bn loans-for-arms programme, Dezember 2024
https://www.ft.com/content/2bcca8ea-69b1-4c2a-8be2-a679ec6ac9e9

[5] White & Case – Big Bang? European Commission unveils proposals to support surge in defence spending
https://www.whitecase.com/insight-alert/big-bang-european-commission-unveils-proposals-support-surge-defence-spending-reduce

[6] Bloomberg – Euro Defense Startups, 2025
https://www.bloomberg.com/features/2025-euro-defense-startups

Analysen und Think Tanks:

[7] Carnegie Endowment for International Peace – Understanding the EU’s New Defense Industrial Strategy, März 2024
https://carnegieendowment.org/emissary/2024/03/understanding-the-eus-new-defense-industrial-strategy

[8] Bruegel Policy Brief – Europe’s dependence on US foreign military sales and what to do about it, 2024
https://www.bruegel.org/policy-brief/europes-dependence-us-foreign-military-sales-and-what-do-about-it

[9] Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) – Strengthening Europe’s Defence Capabilities through Clear Tasks and Objectives
https://www.swp-berlin.org/publikation/strengthening-europes-defence-capabilities-through-clear-tasks-and-objectives

[10] RAND Corporation – Russia, China, and the European Deterrence Gap (RRA3141-5)
https://www.rand.org/pubs/research_reports/RRA3141-5.html

Medienberichte:

[11] Le Monde – Europe’s defense industry challenged to move up a gear, 13. März 2025
https://www.lemonde.fr/en/economy/article/2025/03/13/europe-s-defense-industry-challenged-to-move-up-a-gear_6739110_19.html

[12] Le Monde – Why Europe’s drive to rearm is stalling, 25. Januar 2025
https://www.lemonde.fr/en/international/article/2025/01/25/why-europe-s-drive-to-rearm-is-stalling_6737420_4.html

[13] AP News – The EU wants to break its security dependency on the US and buy more European weapons
https://apnews.com/article/eu-defense-industry-weapons-ukraine-russia-3f8e5d9a7b2c1e6f9d8a4b5c6d7e8f9a

Rüstungskonzerne:

[14] Rheinmetall – Quartalsbericht Q1 2025, 8. Mai 2025
https://www.rheinmetall.com/en/media/news-watch/news/2025/05/2025-05-08-rheinmetall-news-quarterly-statement-q1

[15] Sifted.eu – Helsing raises €600M to build autonomous drone systems, Juni 2025
https://sifted.eu/articles/helsing-ai-attack-drones-factory-germany

[16] EU Startups – Quantum Systems raises €160M for dual-use drone expansion, Mai 2025
https://www.eu-startups.com/2025/05/german-quantum-systems-raises-e160-million-to-target-global-leadership-in-aerial-intelligence-solutions

© Michael Hollister— Die Weitergabe, Veröffentlichung oder Nutzung dieses Textes ist ausdrücklich willkommen. Voraussetzung ist lediglich die Angabe der Quelle und ein Link auf www.michael-hollister.com (bzw. bei Druckwerken der Hinweis „Quelle: www.michael-hollister.com“).


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