„Das verbotene Bündnis“ – Warum Deutschland und Russland keine Partner sein dürfen.

Deutschland hätte aus einem Bündnis mit Russland wirtschaftlich, geopolitisch und technologisch enorm profitieren können – und dennoch erleben wir seit Jahrzehnten das Gegenteil. Warum handelt Berlin gegen die eigenen Interessen und folgt stattdessen der strategischen Linie Washingtons? Der Artikel zeigt, dass diese Entwicklung kein Unfall ist, sondern Teil eines lange formulierten Machtprinzips.

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Der wirtschaftliche und technologische Erfolg einer jeden Industrienation steht und fällt mit der hinreichenden Verfügbarkeit u.a. von Rohstoffen, insbesondere Energieträgern wie Gas und Öl sowie Absatzmärkten für seine erzeugten Produkte. Dies trifft in besonderem Maße auch auf Deutschland zu.

Eine enge Partnerschaft mit Staaten, welche zum einen diese benötigten Rohstoffe und Energieträger sowie einen guten Absatzmarkt bieten können ist daher im ureigenen Interesse einer jeden Industrienation, auch Deutschlands.

Russland kann genau das bieten: günstige Rohstoffe, günstige Energieträger und ein riesiger Markt im Osten – darüber hinaus auch viele Arbeitskräfte und sicherheitspolitische Stabilität. Mit dem Vorteil von kurzen Versorgungs- und Transportwegen.

Eine Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland läge daher geopolitisch, wirtschaftlich und technologisch nicht nur nahe – sie würde sich förmlich aufzwingen.

Dennoch erleben wir seit Jahrzehnten das Gegenteil – eine konsequente politische Trennung, welche in den letzten Jahren seitens Deutschlands in eine offene Feindseligkeit Russland gegenüber mündete.

Warum handelt die Deutsche Politik derart massiv gegen die Interessen des Landes? Gegen die Interessen der Deutschen Wirtschaft, der Deutschen Industrie und der Deutschen Bevölkerung?

Handelt es sich um ein strategisches Missverständnis, einer unfähigen Politik, Unwissenheit oder steckt gar geopolitisches Kalkül dahinter? Ist es geplant und vorsätzlich so umgesetzt?

Falls ja, warum?

Eine mögliche Erklärung hierfür liefert die „Heartland-Theorie“ des Britischen Geografen Halford Mackinder, der diese bereits im Jahr 1904 formulierte.

„Wer Osteuropa beherrscht, beherrscht das Herzland. Wer das Herzland beherrscht, beherrscht die Weltinsel. Wer die Weltinsel beherrscht, beherrscht die Welt.“

Das „Heartland“ war darin gleichgesetzt mit dem Bereich Russlands und Europas. Die Achse Berlin–Moskau hätte das Potenzial, genau diese Weltmachtbasis zu schaffen.

Es ist kein Geheimnis und diese öffentliche Aussage von vielen US-Strategen, darunter Zbigniew Brzezinski – ehemals Chefstratege des Pentagon unter Ronalds Reagan, George Friedman, Inhaber des geostrategischen US-Think-Tanks Stratfor und vielen mehr.

In seinem Buch „The Grand Chessboard“ von 1997 schreibt Brzezinski:
„Für Amerika ist die Hauptaufgabe, zu verhindern, dass eine dominierende Macht auf dem eurasischen Kontinent entsteht.“

Das zu verhindern ist eines der primären Ziele der Außen- und Geopolitik der USA. Aus Sicht Washingtons darf es keine Allianz geben, welche die (ehemals hervorragende) Deutsche Ingenieurskunst mit den Russischen Rohstoffen und Arbeitskräften verbindet.

Auch aus dem Grund, dies zu verhindern, wurde die NATO gegründet.

„Die USA drinnen, Deutschland unten und Russland draußen zu halten“ – verlautbarte der erste

Generalsekretär Lord Hastings Ismay, Gründungsmitglied der NATO.

Gegenwart: Politik gegen die eigenen Interessen

Deutschland ist heute energiepolitisch und damit auch wirtschaftlich geschwächt. Der Ausstieg aus der Kernenergie, der Verzicht auf die günstigen und üppig vorhandenen Russischen Energieträger und das Zuwenden zu den kostenintensiven und nicht in hinreichenden Mengen verfügbaren LNG-Gasimporten aus den USA verschärfen die Krise der Wirtschaft und Industrie.

Die NATO hat sich nach Osten hin massiv ausgedehnt, die EU rüstet militärisch stark auf und die Ukraine wurde zum Zankapfel zwischen West und Ost.

Der bereits erwähnte US-Analyst George Friedman (Stratfor) formulierte es 2015 bereits ganz offen:
„Das Hauptinteresse der USA während des letzten Jahrhunderts, im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg, war die Beziehung zwischen Deutschland und Russland zu verhindern. Denn vereint wären sie die einzige Macht, die uns bedrohen könnte.“

Hier spricht kein „Verschwörungstheoretiker“, sondern einer der geopolitischen Insider die Logik aus, die schon über ein Jahrhundert lang gilt.

Aber warum verfolgt Deutschland diesen Kurs? Deutschland hätte bei einer gemeinsamen Kooperation mit Russland sehr viel zu gewinnen. Jedoch geschieht seit Jahrzehnten das genaue Gegenteil. Eine immer weiter und massivere eskalierende Konfrontation mit Russland – entgegen den eigenen Interessen!

Eine mögliche Erklärung wäre in der generellen Abhängigkeit Deutschlands von den USA zu finden. Sowohl militärisch (NATO), wirtschaftlich (Exportmärkte, Finanzsystem) und politische Einflüsse über Medien, Think-Tanks und Netzwerke (Atlantikbrücke). Dazu kommt die externe Einflussnahme der USA. Washington hat seit 1945 ein tief verwurzeltes Interesse, die Deutsche Politik zu steuern – über die Europäischen „Eliten“, die eher transatlantisch denken als nationale Interessen zu verfolgen. Es drängt sich förmlich der Verdacht auf, dass Deutsche Politiker nicht frei agieren, sondern vielmehr in einer strategischen Klammer stecken – den engen Schulterschluss mit den USA suchend, und damit zwangsläufig die Distanz zu Russland.

Der Ausblick deutet auf ein gefährliches „Spiel“ für Europa, dessen Folgen bereits politisch spürbar sind. Es folgte die wirtschaftliche Schwächung u.a. durch teure Energie, welche zu Einbußen der Wettbewerbsfähigkeit führten. Die geopolitische Abhängigkeit der EU zu den USA zeigt sich vermehrt und deutlich – Europa agiert eher als Anhängsel Washingtons statt als eigenständiger Pol. Die Sicherheitsrisiken werden deutlich – statt Stabilität an der Ostgrenze droht offen ein Dauerkrieg in Europa.

Die Frage, die bleibt, ist, ob Europa eines Tages eine autonome, eigenständige und unabhängige Außenpolitik entwickelt oder als Juniorpartner der USA in der Konfrontationspolitik mit Russland gefangen ist, welche letztlich nicht im europäischen, sondern im US-amerikanischem Interesse liegt.

Brzezinski, Mackinder oder Friedman – das gemeinsame Fazit ist: Das größte geopolitische Risiko für die USA wäre ein Bündnis zwischen Deutschland und Russland. Die Politik der letzten Jahre verdeutlicht, dass es dieses Bündnis nicht geben darf.

Ob Deutschland jemals den Mut findet, eigene Interessen über geopolitische Vorgaben zu stellen, wird entscheiden, ob Deutschland, und damit auch Europa, als selbständiger Akteur existieren wird – oder ob es Spielball auf dem „großen Schachbrett“ der Weltmächte bleibt.




Michael Hollister analysiert seit vielen Jahren die globalen Machtstrukturen hinter Politik und Wirtschaft. Sein Schwerpunkt liegt auf geopolitischen Strategien, einflussreichen Netzwerken und den historischen Wurzeln heutiger Konflikte.

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